Was KI für den Mittelstand tun kann – und was nicht

Künstliche Intelligenz ist ein mächtiges Werkzeug, wenn sie an den passenden Stellen eingesetzt wird. Wie auch kleine und mittlere Unternehmen diese Stellen finden können, war zentrales Thema der Veranstaltung „Digitale Innovation in der Industrie und im Mittelstand: Künstliche Intelligenz als Standortvorteil“ am 26. November in Bremerhaven.

Digitalisierung und künstliche Intelligenz können dem industriellen Mittelstand helfen, zahlreiche aktuelle Herausforderungen zu bewältigen. „KI wird aber noch überwiegend in großen Unternehmen eingesetzt, weniger in den kleinen“, sagte Andreas Köhler von der Handelskammer Bremen bei der Begrüßung der Gäste im Bremerhavener Kammergebäude. „Es ist oft eine Frage des Wissens: Wie setze ich KI richtig ein?“

Konkrete Antworten lieferte die Veranstaltung, die von der Handelskammer gemeinsam mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Bremen-Oldenburg und der BIS Wirtschaftsförderung Bremerhaven ausgerichtet wurde. Alle drei Einrichtungen bieten Unternehmen Unterstützung an und vermitteln die passenden Partner, um die Einsatzmöglichkeiten von KI zu untersuchen und umzusetzen.

Beschleunigte Prozesse durch generative KI

Ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist in den letzten Jahren die sogenannte generative KI, die es den Nutzerinnen und Nutzern erlaubt, in natürlicher Sprache Fragen zu stellen oder Anweisungen zu erteilen, um Texte, Bilder, Videos, Musik oder Programmcodes zu erzeugen. Bekannte Dienste sind beispielsweise ChatGPT, Google Gemini, Claude und Microsoft Copilot. Stefan Wiesner vom Mittelstand-Digital Zentrum Bremen-Oldenburg verwies auf eine aktuelle Studie des Branchenverbands Bitkom: Demnach verwenden Unternehmen die generative KI derzeit am häufigsten im Kundenkontakt, gefolgt – mit deutlichem Abstand – von Marketing und Kommunikation.

Als größte Vorteile der Technologie bezeichnen jene Unternehmen, die bereits generative KI einsetzen, schnellere und präzisere Problemanalysen (70 Prozent) sowie beschleunigte Prozesse (63 Prozent). Für 62 Prozent liefert generative KI auch Expertenwissen, das sonst nicht im Unternehmen verfügbar ist. Diese Vorteile seien „gerade angesichts des Fachkräftemangels ein wichtiges Argument für den Einsatz von KI“, betonte Wiesner.

Effizientere Produktion durch prädiktive KI

Dem Hype der letzten Jahre folgt allerdings inzwischen eine Phase der Ernüchterung, weil viele vollmundige Versprechungen – und Warnungen – sich bis jetzt nicht erfüllt haben. Dennoch könne KI für Unternehmen schon heute ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein, sagte Philipp Hemmers vom Mittelstand-Digital Zentrum Rheinland. Man müsse nur genau prüfen, wozu die KI grundsätzlich fähig ist und was sie im individuellen Unternehmen konkret leisten könnte.

Zu unterscheiden sei zwischen starker und schwacher KI, erläuterte er. Beim Stichwort künstliche Intelligenz werde oft an starke KI gedacht, die auf Augenhöhe mit dem Menschen sei und autonom vielfältigste Aufgaben erfüllen kann, auch unbekannte. Diese gibt es jedoch noch nicht. Schwache KI eignet sich nur für die Bewältigung sehr konkreter Aufgaben – das aber oft sehr gut.

Im industriellen Mittelstand entfalten dabei oft nicht die generativen KI-Systeme wie ChatGPT und Gemini die größte Wirkung, sondern die sogenannte prädiktive KI. Sie nutzt Daten, um Muster zu erkennen, Schlussfolgerungen zu ziehen und Maßnahmen abzuleiten. „Prädiktive KI kann Ihre kleinen Probleme im Alltag lösen, ohne dass Sie ein großes Data-Science-Team aufbauen müssen“, so Hemmers. „Schon mit sehr kleinen Datensätzen lassen sich gute Ergebnisse erreichen.“

Prädiktive KI eigne sich vor allem für drei Aufgabanstellungen:

Cluster identifizieren
Reales Beispiel: Ein Unternehmen, das immer wieder Bauteile als Einzelanfertigungen konstruieren muss, hat alle Teile der letzten 20 Jahre ins System eingespeist. Bei neuen Aufträgen kann die KI nun prüfen, ob schon mal ein ähnliches Teil produziert wurde. So wird in der Konstruktion viel Zeit gespart – ohne dass sich ein dienstalter Ingenieur zufällig an einen Auftrag von vor 15 Jahren erinnern muss.

Klassifizieren
„Man macht Fotos von einem Produkt und bringt dem System bei: Auf diesen Bildern sind die Objekte defekt und auf diesen sind die genau so, wie ich sie haben möchte“, sagte Hemmers. „Das System lernt dann: Da ist ein Muster, das ich nicht haben möchte. Das geht schon mit 100 bis 150 Fotos erstaunlich gut.“

Trends erkennen
Beispiel: Das KI-System erkennt bei einer Kunststoff-Spritzgussmaschine allein anhand der Prozessparameter, ob das produzierte Teil defekt ist oder nicht. Man könne sich beispielsweise nicht jeden einzelnen Legostein ansehen, der aus einer Maschine kommt, sagte Hemmers. Aber anhand von Prozessdaten wie dem Stromverbrauch, der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit oder ähnlichen Messwerten könne eine KI mit großer Sicherheit vorhersagen, welche Steine misslungen sind, und sie automatisch aussortieren. Ähnlich funktioniere das Prinzip „predictive maintenance“, bei dem anhand der Daten analysiert wird, wann eine Maschine gewartet werden muss, um nicht auszufallen.

Auch in Bremer und Bremerhavener Einrichtungen werden praxistaugliche KI-Lösungen entwickelt. Das Bremer Institut für Produktion und Logistik (BIBA) befasst sich beispielsweise mit Exoskeletten für die Unterstützung von Arbeitskräften in der Montage und mit fahrerlosen Transportsystemen. Auch der Datenabgleich von tatsächlichen Lagerbeständen mit dem Warenwirtschaftssystem anhand von Drohnen wird dort erprobt.

„Denken Sie nicht von der Technologie her, sondern haben Sie die KI als Tool im Hinterkopf, mit dem Sie bei einer Aufgabe sehr innovative Lösungen erzeugen können“, empfahl Philipp Hemmers.